Der Ostpalast

 

Auf der Ostseite des „Gräberhügels“, gegenüber der Ziqqurrat, wird zur Zeit ein neuassyrisches Palastgebäude erforscht. Seine Mauern wurden bereits 1999 angeschnitten, wobei damals die Bedeutung dieses Baubefundes noch nicht klar war. Das Gebäude ist in der typischen neuassyrischen Bautechnik errichtet: Auf Fundamenten aus Lehmziegeln steht ein zwei- bis dreischichtiger, 50-70 cm hoher Steinsockel, der die aufgehenden Lehmziegelwände trägt. In manchen Räumen sind die unteren Wandpartien mit Backstein verkleidet. Die Pflaster bestehen aus gebrannten Ziegeln, Kieseln oder aus Stampflehm. Besonders umfangreich ausgebaut ist das Kanalsystem des Gebäudes.

Der nördliche Teil zeichnet sich durch schwächere Wände und kleinere Räume als der Südteil aus. Er liegt  tiefer – im Bereich des Hofes 10 befindet sich das Fußbodenniveau ca. 3 m unter dem der südlichen Räume – und besaß vermutlich ein Obergeschoss oder eine Dachterrasse, die auch von den südlichen Räumen zugänglich gewesen sein könnte. Unterschiedlich sind ebenfalls die Funktionen beider Teile: Im Norden lagen Wohn- und Wirtschaftsräume, im Süden der repräsentative Bereich.

Der freigelegte nördliche Teil des Palastes ist von zwei größeren Höfen erschlossen. Der westliche, trapezförmige Hof 10 ist mit Kieseln gepflastert. Im östlichen Teil ist der Fußboden gemustert (verschiedenfarbgie Kiesel in quadratischen Feldern verlegt), eine Art von Pflasterung, die bei neuassyrischen Gebäuden des 8./7. Jahrhunderts v. Chr. mehrmals beobachtet wurde. Etwa in der Mitte des Hofes befindet sich ein großer, runder Sickerschacht aus Kalksteinbrocken, in den in einer Tiefe von 0,5–0,7 m Kanäle aus den beiden östlich anliegenden Badezimmern unter dem Kieselpflaster münden. Der Hof zeigt auf der Südseite Spuren wirtschaftlicher Aktivitäten (Reste von zwei Tannuren und eine Arbeitsbank). Östlich liegt eine Nasszelle mit einem Wasserabfluss in einer 60 x 98 cm großen Kalksteinplatte, die in der Nische der nordwestlichen Wand installiert ist. Das hier vorhandene Ziegelpflaster ist mit Bitumenmörtel abgedichtet. 1 m von der Südecke entfernt liegen an der Südostwand Reste eines runden Backofens mit 52 cm Innendurchmesser.

Die im Norden anliegende Raumgruppe aus vier Zimmern ist als eine Wohneinheit zu deuten. Der vordere, ursprünglich 9,60 x 3 ,60 m große Saal wurde durch eine nachträglich eingebaute Stützwand um 0,8 m verkleinert. In einem der hinteren Räume befanden sich mehrere unterschiedlich große Wandnischen 1,2 – 1,3 m über dem Fußboden. Von dem am Hof liegenden Hauptraum war außerdem ein Bad zu erreichen, in das man von der besagten Raumgruppe aus gelangte. Das 2,80 x 2,63 m große Bad ist typisch eingerichtet: Die Türschwelle wie auch das Ziegelpflaster sind mit Asphaltmörtel versehen. An der Südseite befindet sich ein 0,55 m tiefer Schacht, in dem ein Ziegelkanal beginnt, der zum Hof führt.

 Der weiter nördlich gelegene Teil des Palastes ist von den freigelegten Räumen am Hof 10 nicht erreichbar; diese Trennung betont sehr deutlich eine Doppelmauer. Es handelt sich um sechs oder sieben Räume, von denen der größte eine 1,60 m breite, zweiflügelig verschließbare Tür hat. Nach Süden ist Hof 10 durch eine Raumkette erweitert, deren Fußbodenniveau nach Norden rampenartig abfällt. Diesem Weg folgt der Hauptkanal des Palastes, in den andere Rinnen münden. An einer Stelle wurden zwei übereinanderliegende Anlagen angeschnitten (der Höhenunterschied zwischen den Sohlen beträgt ca. 40 cm), was darauf hindeutet, dass das Entwässerungssystem zumindest teilweise neu verlegt wurde.

Der zweite, östliche Hof im Nordteil des Palastes ist mit Backsteinplatten des Formates 46 x 46 cm gepflastert. Seine Maße betragen an der Südwestwand ca. 10,90 m, an der Nordwestwand 9,76 m. An letzterer Wand befindet sich in einer Entfernung von 2,15 m von der Südwestecke eine podestartige Einrichtung auf einer Länge von 3,60 m, an der zwei Bauphasen festzustellen sind. Sie wurde aus zwei Lagen von Lehmziegeln aufgemauert, die oben mit Backsteinplatten geschützt sind. Das ca. 3,80 x 3,35 m große Badezimmer auf der Nordostseite des Hofes wurde auf die übliche Weise durch einen Abfluss in einer 0,9 x 1,0 m großen Kalksteinplatte entwässert; es ist mit Backstein gepflastert und auf den Wänden bis etwa 0,5 m über dem Fußboden mit Asphaltanstrich versehen. Diese Nasszelle hat keine Anbindung an den Hof, sondern gehörte zu einer nicht mehr erhaltenen Raumgruppe, die wohl durch eine Tür an der Ostecke des Hofes zu erreichen war.

Auf der gegenüberliegenden Seite führen zwei Ausgänge aus dem Hof hinaus – der westliche über einen schmalen Korridor, der östliche über eine ca. 1,50 m breite Rampe mit 0,7 m Steigung – zu einem südöstlichen, höher gelegenen Palastteil. In der Mitte des Korridors verläuft ein Ziegelkanal mit einem Gefälle nach Nordwesten, gebaut aus drei Schichten von Backsteinen im Halbformat und abgedeckt mit Backsteinplatten vom Format 45 x 45 x 7 cm. Zwischen den Ziegeln der Abdeckung befindet sich einer mit einer dreizeiligen Palastinschrift des Königs Adad-narari I. (1305–1274) in Wiederverwendung.

 Die südwestlich angrenzenden Repräsentationsräume besaßen keine direkte Verbindung mit dem oben besprochenen nördlichen Bereich. Die Trennmauern sind hier bis zu 3,70 m stark, weil sie aus aneinander gebauten Wänden bestehen: Aber auch sonst sind die meisten Wände im Süden mehr als 2,0 m dick.

Der größte und wichtigste Raum im Südteil war zweifellos der teilweise freigelegte Saal 50. Von seinen aufgehenden Wänden hat sich kaum etwas erhalten: Die Nordostwand ist nur am Lehmziegelfundament zu erkennen und die Südwestwand an der Pflasterkante des anliegenden Hofes. Die Breite des Raumes lässt sich danach mit ca. 8 m ergänzen. In der Mitte besitzt der Raum zwei parallele Reihen von 20-30 cm breiten steinernen Gleisen, wie sie oft in den Haupträumen neuassyrischer Paläste anzutreffen sind. Diese Einrichtung wurde bis jetzt auf einer Länge von 6,5 m ausgegraben Der bisher einzige gesicherte Zugang befindet sich im Südwesten – eine nicht weniger als 2,4 m breite Tür mit einer Schwelle aus einer 2,0 x 2,5 x 0,23 m großen Kalksteinplatte. Vor der Tür, südlich des Saales, ist die oberste assyrische Bauschicht weitgehend wegerodiert. Lediglich Ziegelpflasterreste  deuten hier auf einen Hof hin.

 Unklar ist die Anbindung dieses Raumes an den nördlich anliegenden Saal 41. Die ursprüngliche Trennmauer existiert nicht mehr. Die südliche Begrenzung des Raumes 41 bestand nämlich in der letzten Nutzungsphase aus einer nur 1,0 m starken, nachträglich auf den Backsteinfußboden gesetzten Mauer. Die Wände des ca. 4,30 x 17,5-18,0 m großen Raumes sind am Fußboden mit rechteckigen, 60 x 40 x 7 cm großen Backsteinplatten verkleidet. An die Oberkante dieses Sockels schließt sich ein dicker Wandverputz an. Das Lehmziegelmauerwerk, vor allem an der südöstlichen Wand, ist stark von Tiergängen durchlöchert. Die Wände und das Ziegelpflaster zeigen Spuren einer Brandkatastrophe.

In der Nordwand befindet sich eine 1,20 m breite Tür zu einem Durchgangszimmer, von dem ein Bad zu erreichen war. In diese Richtung führt auch ein unter dem Fußboden angelegter, 40 cm tiefer Ziegelkanal, der sich unter dem Bad an das Kanalsystem des Palastes anschließt. Zwei andere Türöffnungen zu den westlich beziehungsweise östlich anliegenden Räumlichkeiten befinden sich in der Südhälfte des Raumes. Die westliche Tür  ist 1,60 m breit und mit einer Schwelle aus zwei Kalksteinplatten ausgestattet; die östliche wurde nachträglich verengt oder sogar vollständig zugesetzt. Zugleich wurde auch die Tür nach Nordosten zum Bad mit Backsteinen zugemauert. Diese Maßnahmen gehören zur letzten Nutzungsphase des Palastes, als der Saal in einen Notspeicher umgewandelt wurde: Den Raum füllte eine meterhohe Schicht verbrannten Getreides, ein Vorrat, der in der Brandkatastrophe vernichtet wurde.

Die Wände des nördlich liegenden Badezimmers sind unten durch Backsteinplatten geschützt. Diese decken den 0,35–0,40 m hohen Kalksteinsockel ab, auf dem die verputzten Lehmziegelwände aufsitzen. Auf dem Fußboden haben sich Reste eines asphaltierten Ziegelpflasters mit einem leichten Gefälle nach Nordwesten erhalten. In der Nordwestwand befindet sich eine 0 ,38–0,42 m tiefe und 1,39 m breite Nische, in der eine in den Raum vorspringende Steinplatte mit einem runden Loch in der Mitte als Wassereinlauf installiert ist. Diese Öffnung ist mit einem Backsteinkanal verbunden, der ca. 0,5 m unter dem Fußboden schräg nach Osten verläuft und vermutlich in den Sammelkanal mündet.

Der größte Raum (47) befindet sich im Osten. Eine später zugesetzte Tür in der stark von Tiergängen durchzogenen Nordwestwand sicherte die Verbindung mit dem als Notspeicher genutzten Saal. Die Breite dieses Raumes beträgt 5,50 bis 5,65 m, die Länge 25,55 m. Er ist allerdings zum größten Teil nur im Fundament erhalten.

Die Zerstörung des Palastes ist mit der Stadteroberung 614 v. Chr. in Verbindung zu bringen. Das Gründungsdatum ist noch nicht ganz sicher. Offensichtlich wurden manche Räume umgebaut. An mehreren Stellen lassen sich Fußbodenerhöhungen feststellen und auch die Kanäle, die sich stellenweise auf zwei Niveaus befinden, wurden im Laufe der Zeit neu verlegt.

Im Ostteil des Komplexes, in Höhe der Oberkante des Lehmziegelfundamentes am Raum 47 haben sich in situ acht quadratische Ziegelplatten von 52 cm Seitenlänge und 7cm Dicke erhalten. Sie gehören vermutlich zum ersten Fußboden des Palastes. Drei von ihnen trugen einen vierzeiligen, ziemlich abgetretenen Stempelabdruck (22 x 10 cm) mit einer Inschrift:

    Palast Salmanassars,

    König der Gesamtheit, König des Landes Assyrien, Sohn Assurnasirpals,

    König der Gesamtheit, König des Landes Assyrien,

    Sohn Tukulti-Ninurtas, König der Gesamtheit, ebenfalls König des Landes Assyrien.

    (entspricht RIMA 3, A.0.102.106).

Danach fällt die Gründung des Palastes in die Regierungszeit Salmanassars III. (858-824).