Im Jahr 2006 begann am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Heidelberg die Aufarbeitung der Grabungsergebnisse aus den Kampagnen 1990, 2000 und 2001, und zwar des im westlichen Stadtgebiet von Assur im Grabungsabschnitt 1 aufgenommenen Materials aus den obersten Schichten der assyrischen und parthischen Besiedlung. Da an eine Fortsetzung der Feldforschung in Assur in der gegenwärtigen politischen Lage im Irak überhaupt nicht zu denken ist, soll mindestens ein Teil der erzielten Resultate bald veröffentlicht werden. Geplant ist eine Veröffentlichung der bisherigen Ergebnisse in einem Werk mit dem Arbeitstitel: „Untersuchungen im Stadtgebiet von Assur: Wohnquartiere in der Weststadt. Teil I “. Darin werden Architekturreste, Kleinfunde und Tontafelarchive vorgelegt. An der Publikation beteiligen sich Karen Radner, Franciszek M. Stepniowski und Peter A. Miglus.
Das Ziel des Projektes ist Aufarbeitung thematisch abgeschlossener Forschungsaktivitäten im Abschnitt 1, der auf einer Fläche von 900 m² gegraben wurde. Unter dem parthischen Siedlungshorizont, der hauptsächlich durch Gräber repräsentiert war, erstreckte sich ein neuassyrisches Wohnquartier. Zwischen zwei Straßen lagen hier Teile von neun oder zehn Privathäusern, deren bauliche und funktionale Veränderungen dokumentiert wurden. In ihren Ruinen haben sich zahlreiche Objekte von den Hausinventaren erhalten.
Eine besondere Aufmerksamkeit verdienen dabei Spuren des Niedergangs, als die Stadt 614 v. Chr. von den Medern erobert und teilweise zerstört wurde. Der darauf folgende implosionsartige Kollaps des assyrischen Staates spiegelt sich in einer schnellen Auflösung der urbanen Stadtstruktur wider, die ihren politischen Rückhalt und ihre wirtschaftliche Basis verloren hat. Auf der Grundlage dieser Daten kann eine funktionale Analyse des Wohnquartiers mit seinen unterschiedlichen Bauzuständen und Nutzungsphasen in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts v. Chr. gelingen. Darüber hinaus sollen die zusammengebrachten Ergebnisse verschiedener Feldforschungen – der alten deutschen Ausgrabung 1903-14 (Miglus 1996) sowie der jüngeren deutschen (Hrouda 1991; Wright 2000; Miglus et al. 2000 und 2002) und irakischen (al-Hayani 2000; al-Duri 2002) Untersuchungen – helfen, qualitative und quantitative Wohnverhältnisse im Zentrum der spätneuassyrischen Stadt zu ergründen sowie ihre Infrastruktur, u. a. auch Teile des Straßennetzes in diesem Bereich zu rekonstruieren.
Das Konzept der geplanten Veröffentlichung sieht vor, dass zusammen mit den Hausinventaren auch die Tontafeln aus Häusern publiziert werden. Einige Vorarbeiten wurden bereits in Form von Kurzberichten publiziert (Hecker 1991; Maul 2000; Radner 2000). Die vollständige Aufarbeitung von Keilschrifttexten (Archiv des Kaufmanns Duri-Aššur mit 78 Texten und das kleinere Archiv einer ägyptischen Familie mit 15 Texten) übernahm K. Radner. Sie konnte die 1990 gefundenen Tontafeln, die sich jetzt im Iraq Museum in Bagdad befinden, während der Grabungskampagne 2001 vor Ort bearbeiten. Der erste Schritt zur Erstellung einer Edition, die Anfertigung von Handkopien der Tafeln sowie das Verfassen von Umschriften und Übersetzungen, ist für große Teile des Komplexes bereits abgeschlossen.
Zitierte Literatur:
Das Projekt wurde durch die Fritz Thyssen Stiftung gefördert.