Cuneiform tablets

(Wiebke Meinhold)

In Bakr Awa wurden während der Grabungen 1960/61, 2013 und 2014 mehrere Tontafeln und -fragmente gefunden. Die Tontafeln aus der Kampagne 1960/61 stammen aus der spätbronzezeitlichen Schicht IV (oberhalb des großen altbabylonischen Wohnhauses) und waren verstreut auf drei Räume. Die Tontafeln aus den Grabungskampagnen 2013 und 2014 wurden ca. 30 m westlich davon freigelegt. Sie lagen in einer frühislamischen Schicht, die großflächig in den eisen- und spätbronzezeitlichen Siedlungshorizont eingetieft war. Die Paläografie weist die Texte deutlich in die zweite Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr.

Die bisherigen Tontafelfunde umfassen 14 Verwaltungsurkunden, zwei gesiegelte Bullen, einen Brief, vier Fragmente mit Opferschauomina, eine Tafel mit einer Hemerologie und weitere Fragmente bislang noch unklaren Inhalts. Der Erhaltungszustand der Tontafeln ist überwiegend fragmentarisch. Publiziert ist bislang nur die 1960 gefundene Hemerologie, siehe L. Matouš, "L'Almanach de Bakr-Awa", Sumer 17 (1961), 17-66 und Pl. I-II.

 

Verwaltungsurkunden

17 Urkunden – davon 13 fragmentarisch, 4 annähernd vollständig – dokumentieren Verwaltungsvorgänge mit Bezug auf Felder, Ortschaften, Personen, Getreide, Vieh und Kupfer. Im Folgenden eine kurze Inhaltsangabe:
Ein Dokument listet abschnittsweise Personen auf, welche für verschiedene Ortschaften Pflüge bzw. Pflugteams bereitstellen. Die drei erhaltenen Ortsnamen sind wegen Beschädigung nur schwer lesbar. Eine weitere Urkunde scheint Schätzungen zu Teilerträgen von Getreidefeldern zu enthalten: Feldflächen werden abschnittsweise zu Getreidemengen in Relation gesetzt und Ortschaften zugewiesen, wobei die Ortsnamen alle weggebrochen sind. Die Feldflächen reichen von 1 bis 11 emāru (ca. 1,8-19,8 ha), die Getreidemengen von 1 bis 96 emāru (ca. 100-9600 l). Die Felder liefern verschiedene Getreidesorten, lesbar sind Gerste, Weizen und Emmer. Das Verhältnis zwischen Feldfläche und Getreidemenge ist sehr unterschiedlich; soweit erhalten: 1:2, 1:8,7, 1:14 (Getreidesorte nicht erhalten), 1:5 (Gerste) und 1:6 (Emmer).

Beide Urkunden scheinen einer größeren Administration (evtl. einem Palast o.ä.) zu entstammen, die Erntearbeiten auf größeren Feldern organisierte und welcher die umliegenden Ortschaften mit Arbeitsdiensten sowie Abgaben von erwirtschaftetem Getreide verpflichtet waren.

 

 

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Teil derselben Administration waren vermutlich auch die übrigen Urkunden. Ein Dokument listet Ortschaften auf, die abschnittsweise Personen, wohl Verwaltungsbeamten, zugeordnet werden. Sechs Fragmente, möglicherweise gehörig zu zwei Urkunden, verzeichnen vermutlich zahlreiche nicht-akkadischsprachige Personennamen. Drei Urkunden verbuchen Kleinvieh, namentlich Schafe und Lämmer, Ziegen und Zicklein, sowie Vögel (iṣṣūr ḫurri, "Höhlenvogel"); u.a. wird Kleinvieh einem Hirten zum Hüten übergeben. Drei weitere Urkunden listen Getreideposten für einzelne Tagen angegebener Monate auf, vermutlich handelt es sich um Gerste. Soweit erhalten, ist das Getreide bestimmt für Pferdefutter (šuku anše-kur-ra) oder für Rationen von Beamten (gal-meš). Ein Fragment verzeichnet allem Anschein unterschiedliche Mengen von Kupfer für einzelne Personen.
Reste von Siegelabrollungen zeigen, dass vermutlich auch zwei kleine Tontafelfragmente Teile von Urkunden waren, wenngleich das eine Fragment keine Schrift enthält und die erhaltenen Schriftzeichen des anderen noch nicht entziffert werden konnten.
Die zuletzt aufgeführten gesiegelten Fragmente, nämlich die Urkunden bezüglich Getreide und Kupfer, sowie zwei der Fragmente mit nicht-akkadischsprachigen Personennamen wurden 1960/61 gefunden. Die übrigen Urkunden brachte die Grabungskampagne 2013 ans Licht.

 

Bullen/Dockets

Die beiden 2013 geborgenen Bullen wurden mit demselben Siegel gesiegelt. Auf einer der beiden Bullen sind Reste einer Beschriftung erhalten: Sie bezieht sich auf einen Posten männlicher Zicklein. Die andere Bulle ist in drei Fragmente zerfallen. Alle drei Fragmente sind unbeschriftet.

 

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Brief

Ebenfalls 2013 wurde das Fragment eines Briefes gefunden. Erhalten sind Teile der Briefeinleitung und der ersten drei Zeilen der Nachricht, sowie einzelne Zeichenspuren vom Briefende. Der Name des Adressaten ist weggebrochen; Absender ist ein gewisser …-ḫami-Teššup.

 

Omina

Zu den vier aus der Grabungskampagne 1960/1961 stammenden Fragmenten mit Omina fügte die Grabungskampagne 2013 ein weiteres hinzu. Der Neufund hat eine Parallele unter den früher gefundenen Fragmenten. Zur Tontafel des Paralleltexts gehören möglicherweise ein bis zwei der weiteren Fragmente. Das vierte Fragment aus der älteren Grabung enthält einen anderen Omentext.

Die insgesamt fünf Fragmente repräsentieren also vermutlich nur zwei Texte. Der zuletzt erwähnte Text auf dem einzelnen Fragment enthält Omina bezüglich der Opferschau an einem Vogel. Interessant ist der Umstand, dass in den erhaltenen Anfangszeilen das Verhalten des wahrscheinlich noch lebenden Vogels in der Hand des Opferschauers ominös gedeutet wird, während in den erhaltenen Schlusszeilen äußere oder innere Organe des vermutlich inzwischen geschlachteten Vogels einer genauen Betrachtung unterzogen werden. Auch der andere Text, erhalten in zwei Textvertretern auf zwei bis vier Fragmenten, enthält Opferschauomina. Ein Vogel ist in dem erhaltenen Text nicht erwähnt. Doch gibt es Hinweise darauf, dass sich auch diese Omina auf einen Vogel als Objekt der Eingeweideschau beziehen könnten.

 

 

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Hemerologie

Bereits 1960 wurde eine Tontafel mit einer Hemerologie gefunden, die günstige Tage des Jahres, angeordnet nach den zwölf Monaten, auflistet. Die Vorderseite der Tafel ist vollständig erhalten, der Text der Rückseite zu einem großen Teil weggebrochen. Die Hemerologie ist der einzige Textfund aus Bakr Awa, der bislang veröffentlicht wurde, siehe L. Matouš, "L'Almanach de Bakr-Awa", Sumer 17 (1961), 17-66 und Pl. I-II.

 

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Betrachtet man zusammenfassend die Schriftfunde aus den Grabungskampagnen 1960/61, 2013 und 2014 so fallen Unterschiede und Gemeinsamkeiten auf: 1960/61 wurden Urkunden mit Bezug auf Getreide- und wahrscheinlich Kupferausgaben gefunden. 2013 hingegen Urkunden mit Bezug auf die Verwaltung von Feldern, Ortschaften und Vieh. Beide Kampagnen lieferten jedoch Urkundenfragmente mit der Auflistung nicht-akkadischsprachiger Personennamen. Ebenso stammen aus beiden Kampagnen Fragmente mit Opferschauomina, in einem Fall sogar Paralleltexte. Vor dem Hintergrund dieser Übereinstimmungen und angesichts der Tatsache, dass die Fundorte der Textfunde von 1960/61 und 2013 nicht weit voneinander entfernt waren, kann man die Vermutung aufstellen, dass ursprünglich alle Texte aus demselben Verwaltungskomplex stammten. Weitere Grabungen werden es hoffentlich ermöglichen, dies zu überprüfen.